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Der distanzierte Archetyp (Teil 1)

Merkmale

Beim distanzierten Archetyp geht es darum, dass die Menschen ihm nicht zu nahekommen dürfen. Basierend auf den Vorfällen in der Kindheit und der Vergangenheit hat sich der Distanzierte eine Mauer der Distanz aufgebaut, die dafür sorgt, dass der (Sicherheits-) Abstand erhalten bleibt. Dies gilt sowohl räumlich, als auch körperlich bzw. auch in der Kommunikation.

Bild: peggy_marco@pixabay


Im Kontakt mit einem Distanzierten wird immer eine gewisse Kühle mitschwingen, denn dieser wird seinen Kommunikationsstil so wählen, dass die Distanz gewahrt bleibt. Oftmals wirkt er auf andere arrogant und abweisend, und er vermittelt dem Gegenüber das Gefühl, dass man nur schwer an ihn herankommt.


Der Sprech des Distanzierten ist in Konfliktsituationen überwiegend vom Erwachsenen-Ich geprägt, welches kühl, nüchtern und sachlich zu beschwichtigen versucht. Während die Sachseite stark ausgeprägt ist, ist die Beziehungsseite unterentwickelt. Kommt man einem Distanzierten zu nahe, dann kann er durchaus ruppig und aggressiv werden, und dem Gesprächspartner vermitteln, dass dieser zu nahegekommen ist. Nach außen hin macht der Distanzierte den Eindruck, dass er keine Gefühle hätte, und dass er ein „Herz aus Stein“ hätte, doch in Wahrheit trägt er eine sehr verletzliche und schutzbedürftige Gefühlswelt in sich.


Die Grundbotschaft des Distanzierten ist „Es wäre wichtig, dass die Sache nüchtern, klar und sachlich – also emotionslos, betrachtet wird.“ Eigentlich sollte er hinzufügen: „Das gibt mir Sicherheit, und du kommst mir emotional dadurch nicht zu nahe, denn davor habe ich Angst.“


Beweggrund

Warum dies so ist, kann zwei bzw. drei Ursachen haben:

Generell gilt eher die Tendenz, dass Buben und Mädchen anders erzogen werden. Daraus ergibt sich auch das klassische Rollenbild des eigenständigen und sachlichen Mannes und der Frau, die die Beziehung und Bindung bevorzugt. Zu einer Störung kommt es dann, wenn z.B. die Mutter mangels (Liebes-) Partner die eigenen Bedürfnisse an den Jungen abgibt, und den Loslösungsprozess soweit wie möglich verschleppt. Oftmals kann dies auch bei einer nahezu „übermächtigen“ Mutter und einem „schwachen“ oder kaum vorhandenen Vater so sein. Der Junge wird unter dem Leitprinzip des „Nie-wieder-lasse-ich-Jemanden-so-nahe-an mich-heran“, Distanz zum Gegenüber wahren. Er wird mit allen Mitteln vermeiden, dass er nochmals sein Selbst im Nahekontakt verliert.

Wenn der Säugling im Gegensatz dazu vernachlässigt, vergessen, unerwünscht oder gar gehasst wurde, ist diese Distanzwahrung ebenfalls ein Schutzmechanismus. Dasselbe gilt auch für eine völlige Überbehütung des Säuglings. Die Distanz dient dem Distanzieren als Schutz vor zwischenmenschlicher Nähe.


Selbstverständlich gilt dies für Jungen und Mädchen gleichermaßen.


Interaktion

Generell kann der Distanzierte über weite Strecken hinaus freundlich sein, aber sollte man ihm zu nahekommen, so kommt seine widerborstige, muffige, abweisende und teilweise auch verletzende Art zum Vorschein.


Die Interaktion von Distanzpartner und Nähepartner in einer Liebesbeziehung ist ein Thema, welches ich in einem Extrapost erklären werde.


Beim Distanzierten ist jeder Kontakt anstrengend, und er verlangt viel von ihm ab. So kann es auch mal vorkommen, dass dieser die Straßenseite wechselt, nur, um dem Kontakt mit einem Bekannten aus dem Weg zu gehen. Wenn der Distanzierte seine Kontaktbereitschaft nicht oder zu spät spürt, kann es vorkommen, dass er sich zwar auf das Gespräch einlässt, er aber teilnahmslos, mechanisch oder auch abwesend bleibt. Auf die Frage warum er das macht, wird er keine Antwort parat haben, denn er weiß es meistens selbst nicht, was in ihm vorgeht.


Entwicklungspotential

Der Distanzierte hat einen Nachholbedarf in der Selbstkundgabe und in der Beziehungsseite. Das bedeutet, dass er lernen darf, in sich hineinzuhorchen und das was er empfindet, auch ohne Scheu auszudrücken. Er muss sich Menschen gegenüber öffnen und ihnen einen Einblick in die eigene Innenwelt gewähren. Mitunter kann er sehr gut wahrnehmen, was in ihm vorgeht, aber er kann es schlecht ausdrücken, und sucht nach den richtigen Worten. Dies führt dazu, dass seine Innenwelt diffus und wirr ist. Ein geeigneter Partner oder ein Helfer können hier gute Dienste leisten. Ein Helfer, der diesen Wirrwarr deutet, und so zu einer Klärung und einer Übersetzung in die Sprache des Herzens beiträgt. Diese Sprache kann man lernen. Ein Tool zum Erlernen ist z.B. die Ich-Du-Sprache, die eine Beziehungserklärung vorantreiben kann. Dafür benötigt es einen geschützten Raum und ein sicheres Umfeld, in dem der Distanzierte lernen darf, dass alles was er von sich gibt in Ordnung ist.


Für den Distanzierten ist das Wort „Empathie“ von großer Bedeutung. Das empathische Eingehen auf sein Gegenüber ist ein wichtiges Entwicklungsziel. Anstatt diagnostisch die Aussage des Gegenübers detektivisch zu durchleuchten, sollte der Distanzierte z.B. mit Hilfe von „aktivem Zuhören“ auf den anderen eingehen.


Das Positive

Gerade im beruflichen Leben ist es manchmal von großer Wichtigkeit Distanz zu wahren. Der Distanzierte steht in der Regel über den Dingen und bewahrt auch in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf. Er tut sich in der Regel oft leichter als der Nähemensch, im entscheidenden Moment „Nein“ zu sagen. Oftmals ist der Nähemensch, um der kollegialen Harmonie willen geneigt, von seiner eigenen Position abzurücken.


Wenn der Distanzierte gelernt hat, dass wohlverstandene Fähigkeit zu Kontakt, in Nähe, Distanz und in allen Schattierungen dazwischen, dazu führt, dass er sich von der Isolation zu einer Verbundenheit ohne die Aufgabe seiner Individualität begibt, ist er in der Lage ein eigenständiges Individuum zu werden UND sich in liebende Bindung zu begeben.

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