Ich habe in einem der Posts vom Begriff „liebender Kampf“ gesprochen. Bevor ich auf diesen eingehe, muss ich das Werte- und Entwicklungsquadrat erklären. Vorab geht es aber…
Kurz zur Geschichte
Die Ansätze dieses Quadrates stammen vom griechischen Universalgelehrten Aristoteles (350 v.Chr.). 1926 hat Nicolai Hartmann dieses als „Wertequadrat“ für die Philosophie entwickelt. Paul Helwig übernahm dieses Quadrat 1936 in die Psychologie und Friedemann Schulz von Thun hat im Jahr 1989 es als „Werte- und Entwicklungsquadrat“ für die menschliche Kommunikation verfeinert.
Es handelt sich dabei um ein Tool, das hilft klarer zu sehen. Denn für jede menschliche Qualität gilt es die notwendige Gegenqualität zu finden. Weiter besteht die Möglichkeit durch das Erkennen der jeweiligen Untugend die Entwicklungsrichtung zu erkennen.
Wie konstruiere ich so ein Wertequadrat?
Wir gehen von einem Wert, einer Tugend, einem Leitprinzip oder einem Persönlichkeitsmerkmal aus. Dazu suchen wir den positiven Gegenwert, und deren negative Übertreibungen. Dadurch werden mir das positive Spannungsverhältnis und die Überkompensation bewusst. Ich versuche das mal anhand von dem Beispiel „Sparsamkeit“ (nach Paul Helwig) zu erklären und bildlich darzustellen:
Die Sparsamkeit ist die Tugend und der positive Gegenwert ist die Großzügigkeit. Wenn ich die Sparsamkeit negativ entwerte, dann wird Geiz daraus, wohingegen aus der Großzügigkeit negativ entwertet zur Verschwendung wird.
Bild: eigene Grafik – Vorlage: P. Helwig
Für weniger offensichtliche Werte, kann das Erstellen eines solchen Quadrates übersichtlich und klar, so manchen Aha-Effekt auslösen.
Liebender Kampf
Vielleicht lässt sich dieses Wertequadrat an einem weiteren wichtigen praktischen Beispiel, anhand des Begriffes „Liebe“, erklären. Karl Jaspers hat den Begriff „liebender Kampf“ geprägt.
Wir setzen als Tugend den Begriff „Liebe“ ein. Liebe steht für das Akzeptieren des anderen, das Bemühen, sich in die Welt des anderen hineinzufühlen. Es steht für den Mut sich zu öffnen und darauf zu vertrauen, dass der andere ihn nicht verletzt. Für die negative Entwertung hat Schulz von Thun den Begriff „Friedhöflichkeit“ kreiert. Er beschreibt den Zustand meines Erachtens ziemlich gut. Es ist der Zustand, in dem jeder aufkeimende Konflikt watteähnlich verpackt und erstickt wird. Meinungsverschiedenheiten dürfen nicht auftauchen, werden sofort unterdrückt und im Keim erstickt. D.h. es braucht für eine vollwertige Beziehung einen Gegenwert. Im Fall der Liebe ist dies der Kampf, die Konfrontation oder der Konflikt. Übertreibt man dies wiederum, so erhält man die feinselige Zerstörung des anderen.
Vom Werte- zum Entwicklungsquadrat
Wenn ich nun herausfinden möchte, wie sich Entwicklung vollziehen kann, dann muss ich dieses Wertequadrat in ein Entwicklungsquadrat verwandeln. In der Regel werden sich die Entwicklungsrichtungen überkreuzen. Der eine Partner wird sich von links unten nach rechts oben entwickeln und der andere von rechts unten nach links oben. Idealer Weise treffen sich die Entwicklungen im Zentrum bzw. im Schnittpunkt. Wenn ich das Beispiel mit dem selbstlosen Archetyp und dem aggressiv-entwertenden Archetypen nochmals aufgreife, dann erhalte ich nachfolgendes Entwicklungsquadrat:
Bild: eigene Grafik – Vorlage: Schulz von Thun
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